Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Aktuelle Promotionsprojekte

Daniel Hellmann:

Die Organisation von Wahlen


Die meisten Menschen assoziieren mit Wahlen den Gang zur Wahlurne und die verschiedenfarbigen Balken, die am Wahlabend über den Fernsehbildschirm flimmern. Dabei bleibt verborgen, dass Wahlen die größten Massenveranstaltungen in modernen Gesellschaften sind. Sie sind aufgrund ihrer Größe anfällig für Fehler, Betrug und Probleme vieler Art. Wenn Wahlen als unfair wahrgenommen werden kann dies über Proteste bis hin zu Gewaltausbrüchen führen. Infolge der kenianischen Präsidentschaftswahl 2007 etwa kamen schätzungsweise 1.200 Menschen ums Leben. Aber auch in etablierten und gefestigten Demokratien kann es zu Pannen und Betrug kommen. Die US-Präsidentschaftswahl 2000 gab Anlass zu Zweifeln an der Korrektheit des Ergebnisses. Solche Pannen verringern immer das Vertrauen in die Regierenden und das demokratische politische System insgesamt.

Deutschland ist ein blinder Fleck der Electoral Management Forschung. Bisher gibt es, anders als für viele andere Staaten, keine systematischen Studien dazu, wie Wahlen in Deutschland organisiert und durchgeführt werden. Umfragen, wie die Perceptions of Electoral Integrity Studie zeigen, dass Wahlen in Deutschland nach demokratischen Standards abgehalten werden und in der Bevölkerung Vertrauen genießen. Fehlerfrei dürften sie dennoch nicht ablaufen. Die Zahl der beim Wahlprüfungsausschuss eingehenden Wahlbeschwerden steigt beispielsweise seit 1990 an und ist damit ein Indikator dafür, dass es trotz aller Erfolgsmeldungen auch Unzulänglichkeiten zu geben scheint. Daher lohnt ein kritischer Blick hinter die Kulissen der Wahlorganisation in Deutschland, um sowohl deren Stärken als auch deren Schwächen aufzuzeigen und Verbesserungspotentiale sichtbar zu machen. Daniel Hellmann beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der Organisation von Wahlen in Deutschland. Welche Akteure sind mit welchen Aufgaben betreut? Wie erfüllen sie diese Aufgaben und welche Verbesserungspotentiale gibt es?

Die aus der international vergleichenden Forschung zur Wahlorganisation gewonnen Thesen über ‚good practice‘ werden auf die Bundestagswahl 2021 angewandt. Entsprechend steht im kommenden Jahr die Feldforschungsphase an. In diesem Rahmen werden Experten aus verschiedenen Schritten des Wahlprozesses dazu befragt, wie sie ihre Arbeit wahrnehmen und ausüben und wie sie den Wahlprozess bewerten. Hinzu kommen Textauswertungen, v.a. der Wahlbeschwerden sowie eine standardisierte Befragung von Wahlausschussmitgliedern.


Sebastian Hünermund:

Öffentliche Anhörungen im Deutschen Bundestag. Eine empirische Untersuchung der Funktionen des Anhörungsinstruments zwischen der 15. und 19. Wahlperiode


Seit 1951 ist es den Bundestagsfraktionen im Ausschuss möglich, Sachverständige, Interessenvertreter und andere Auskunftspersonen einzuladen, um sich eigenständig über konkrete Gesetzentwürfe, Programme der Bundesregierung oder aktuelle Problemlagen zu informieren. Während die Abgeordneten anfangs nur zögerlich von diesem neuen Instrument Gebrauch machten, wurden die Anhörungen ab der 10. Wahlperiode immer populärer. In der 18. Wahlperiode führten die Ausschüsse insgesamt 556 Anhörungen durch.

Bislang werden sie überwiegend im Kontext von Interessenvermittlung und Lobbyismus erforscht. Dabei wird beispielsweise untersucht, inwiefern die durch organisierte Interessen und Unternehmen bereit gestellten Informationen einen Einfluss auf den Gesetzentwurf haben.

Allerdings wird anhand neuer Zahlen aus der Parlamentsstatistik deutlich, dass Ausschuss-Anhörungen längst nicht mehr nur der Gesetzesvorbereitung dienen. Zwischen 2009 und 2013 hatte nur noch knapp die Hälfte aller Ausschuss-Anhörungen einen konkreten Gesetzentwurf zum Gegenstand. Eine ähnliche Verteilung zeigt sich in der 18. Wahlperiode. Dies deutet auf einen Wandel in der Nutzung des Instruments hin. Zudem ist angesichts dieser Entwicklung darüber nachzudenken, inwiefern Anhörungen tatsächlich primär der Interessenvertretung dienen oder mittlerweile andere Funktionen an Bedeutung gewonnen haben.

In der Untersuchung stehen zwei Fragen im Vordergrund: Wie hat sich die Nutzung öffentlicher Anhörungen entwickelt beziehungsweise verändert und welche Funktionen erfüllt das Anhörungsinstrument?

Zu diesem Zweck werden in einem ersten Schritt sämtliche Ausschuss-Anhörungen zwischen der 15. und 19. Wahlperiode analysiert. Im zweiten Schritt erfolgen Einzelfalluntersuchungen in jeweils unterschiedlichen Ausschüssen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten, die anschließend miteinander verglichen werden. Das Ziel dieser Herangehensweise besteht darin ein möglichst umfassendes Verständnis von der Nutzung und von den Funktionen öffentlicher Anhörungen zu erlangen.


Juliane Scholz

Partizipation und politische Legitimation in der EU


Mehr direkte Beteiligung von Bürger*innen und Zivilgesellschaft außerhalb von Wahlen gilt gemeinhin als begrüßenswert – aber generiert mehr Partizipation auch notwendigerweise einen Mehrwert an politischer Legitimität? Mit dieser Frage beschäftigt sich Juliane Scholz in ihrem Promotionsvorhaben am Beispiel Beteiligungsmöglichkeiten bei EU-Institutionen. Seit dem Aufkommen der Debatte um das ‚Demokratiedefizit‘ in den 90er Jahren hat die Europäische Kommission verstärkt direkte, themenbezogene Beteiligungsmöglichkeiten als Konsultation für Gesetzesvorhaben im Rahmen ihres Initiativmonopols geschaffen. Inzwischen sind zahlreiche direkte Partizipationsformen, wie beispielsweise Konsultationen, Bürgerkonferenzen und eine Europäische Bürgerinitiative rund um die Kommission entstanden. Empirische Studien weisen jedoch auf demokratische Mängel, wie fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit, dieser Beteiligungsprozesse hin. Die bestehende Forschung beschränkt sich dabei allerdings auf einzelne Partizipationsinstrumente, z.B. Online-Konsultationen. Eine systematische Aufarbeitung dieser Formen fehlt bislang. Das Promotionsvorhaben von Juliane Scholz soll diese Lücke schließen. Sie stellt die Frage, wer eigentlich von den Beteiligungsformen auf EU-Ebene profitiert. Dabei wird in zwei Schritten vorgegangen: In einem ersten Schritt wird eine systematische Typologie von Beteiligungsformen auf EU-Ebene entwickelt. So können Wirkungsmechanismen von Partizipationsformen analysiert und strukturelle Schwachstellen herausgearbeitet werden. Welche Wirkungen hat beispielsweise die Beteiligungsform Konsultation im Gegensatz zu Mitentscheidung? Welche Wirkungen hat die institutionelle Einbindung der Beteiligungsformen um die Kommission? In einem zweiten Schritt werden diese Schwachstellen anhand von zwei konkreten Beteiligungsformen (die Europäische Bürgerinitiative „right2water“ und der Strukturierte Dialog mit der Zivilgesellschaft im Politikfeld Kultur „Voices of Culture“) rekonstruiert. Zentral ist dabei, durch welche Faktoren die strukturellen Probleme, wie fehlende Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der Beteiligung, verursacht werden. Ebenso wird analysiert, welche Akteure durch die Beteiligungsformen profitieren.

Juliane Scholz nutzt dafür knapp 60 leitfadengestützte Interviews, die sie sowohl mit Akteuren von EU-Institutionen als auch mit Akteuren der Zivilgesellschaft geführt hat. So können strukturelle, teils den Akteuren nicht bewusste, Spannungsfelder identifiziert werden, die eine Stärkung der Legitimation durch direkte Partizipation auf EU-Ebene behindern.

Die Ergebnisse setzen Impulse für die Weiterentwicklung und institutionelle Einbindung von direkten Beteiligungsformen auf EU-Ebene. Sie ermöglichen zudem ein besseres theoretisches Verständnis, wie direkte Partizipationsformen die Legitimität eines politischen Systems beeinflussen.


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